Kürzlich hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Fall befasst, in dem es um den gutgläubigen Erwerb eines Autos ging, das nach einer Probefahrt nicht zurückgebracht, sondern entwendet und anschließend verkauft wurde. (Urteil vom 18.09.2020, Az.: V ZR 8/19)
Der konkrete Sachverhalt
Im Autohaus der Klägerin erschien ein (vermeintlicher) Kaufinteressent und lieh mithilfe gefälschter Papiere ein Auto für eine einstündige Probefahrt ohne Begleitung aus. Dazu händigte ihm das Autohaus den Schlüssel des Fahrzeugs, das Fahrzeugscheinheft, das Fahrtenbuch und eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I aus.
Nach der Probefahrt kehrte der „Kaufinteressent“ jedoch nicht ins Autohaus zurück, sondern verkaufte den Wagen für 46.500 Euro. Der Käufer bemerkte dabei zum einen nicht, dass es sich bei Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief um Fälschungen handelte. Zum anderen erkannte er nicht, dass der übergebene „Zweitschlüssel“ überhaupt nicht zum gekauften Fahrzeug gehörte. Als er das Auto anmelden wollte, kam jedoch ans Licht, dass der Wagen als gestohlen gemeldet wurde.
Das Autohaus verlangte dann vom Käufer die Herausgabe des Autos und des Fahrzeugschlüssels. Der Käufer hingegen verlangte die Herausgabe des Zweitschlüssels und der originalen Zulassungspapiere.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH gab dem Käufer des Autos recht. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Autohaus das Eigentum am Auto durch den gutgläubigen Erwerb des Käufers verloren hat.
Hinweis: Der gutgläubige Erwerb
Voraussetzung für den Erwerb des Eigentums an einer Sache ist die Einigung zwischen Erwerber und Veräußerer über die Eigentumsübertragung und die Übergabe der Sache. Zudem bedarf es dabei der Berechtigung des Veräußerers. Über diese Berechtigung verfügt grundsätzlich der Eigentümer der Sache.
Im zuvor dargestellten Fall mangelt es dem Verkäufer des nach der Probefahrt entwendeten Wagens an eben dieser Berechtigung. In solchen Fällen besteht jedoch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Voraussetzung dazu ist zusätzlich, dass der Erwerber gutgläubig war und dass die Sache nicht abhandengekommen ist.
Unter Gutgläubigkeit ist dabei zu verstehen, dass der Erwerber weder wusste noch hätte wissen müssen, dass der Veräußerer nicht der Eigentümer der Sache ist. Abhandengekommen ist eine Sache, wenn sie dem Eigentümer gestohlen wurde oder er sie verloren hat.
Bei der Abwicklung des Autokaufs gab es „eine nicht unerhebliche Anzahl von Auffälligkeiten”. So trafen sich Käufer und Verkäufer an einem Bahnhof und der Kaufpreis in Höhe von 46.500 Euro musste in bar gezahlt werden. Zudem passte der angebliche Zweitschlüssel nicht zu dem gekauften Fahrzeug. Trotz dessen bejahte das Gericht den guten Glauben des Käufers.
Ist das Auto abhandengekommen?
Als problematisch stellte sich jedoch das Merkmal des Abhandenkommens dar, da es einen unfreiwilligen Besitzverlust voraussetzt. Deshalb stellte sich die Frage, ob das Autohaus den Besitz am Fahrzeug freiwillig aufgegeben oder unfreiwillig verloren hat.
Dazu wies der BGH zum einen darauf hin, dass eine Besitzübertragung nicht nur deswegen unfreiwillig ist, weil sie, wie vorliegend, auf einer Täuschung beruht.
Zudem stellten die Richter klar, dass die (freiwillige) Überlassung des Wagens für eine einstündige und unbegleitete Probefahrt nicht lediglich eine Besitzlockerung darstellt, sondern zu einer gänzlichen Besitzübertragung auf den vermeintlichen Kaufinteressenten führt. Damit liege eine freiwillige und bewusste Besitzaufgabe vor und damit kein Abhandenkommen.
Der Käufer konnte den Wagen demnach gutgläubig erwerben und kann vom Autohaus die Herausgabe der Zulassungspapiere und des Ersatzschlüssels verlangen.