Kommt es zu einem Unfall, muss das beschädigte Fahrzeug in einer Werkstatt repariert werden. Die dabei entstehenden Kosten zahlt die Versicherung des Unfallverursachers. Im Zuge der Corona-Krise kommt es im Rahmen der Reparaturkosten zu einem zusätzlichen Kostenpunkt: Die Desinfektion des Fahrzeugs. Nun stellt sich dem Geschädigten und der Versicherung die Frage, wer für diese zusätzlichen Desinfektionskosten aufkommt.
In letzter Zeit kam es vermehrt zu Fällen, in denen die Werkstatt neben den Kosten für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs auch diejenigen für die Desinfektion in Rechnung stellte, die Haftpflichtversicherung des Schädigers hingegen den Erstattungsbetrag kürzte und die Zahlung der Desinfektionskosten verweigerte.
Somit mussten sich die Gerichte mit der Frage beschäftigen, wer für die Kosten der Desinfektion aufkommen muss.
Entscheidung des Amtsgericht Heinsberg
Zunächst entschied das Amtsgericht (AG) Heinsberg zugunsten des Geschädigten. Dieser habe Anspruch auf Ersatz der kompletten Reparaturrechnung, also inklusive der Desinfektionskosten. Nach Ansicht der Richter sei die Desinfektion des Unfallfahrzeugs während der Corona-Pandemie notwendig, sofern das Auto im Rahmen der Reparatur von den Mitarbeitern der Werkstatt berührt werde.
Zudem war die Höhe der in Rechnung gestellten Desinfektionskosten (60,87 Euro) in Anbetracht des Material- und Arbeitseinsatzes angemessen und daher nicht zu beanstanden.
AG Heinsberg, Urteil vom 4.9.2020, Az.: 18 C 161/20
Urteil des Amtsgericht Kempten
Auch das AG Kempten urteilte zugunsten des Geschädigten. Das Gericht führte begründend aus, dass das sogenannte Werkstattrisiko hier zulasten des Schädigers geht. Gibt der Geschädigte sein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall zur Reparatur in eine Werkstatt, hat er keinerlei Einfluss darauf, welche Arbeiten die Werkstatt ausführt und wie sie diese in Rechnung stellt. Nimmt die Werkstatt unnötige Reparaturen vor oder rechnet überhöhte Preise ab, darf dies daher keinen Nachteil für den Geschädigten darstellen. Vielmehr kann dieser vom Schädiger die Reparaturkosten in voller Höhe ersetzt verlangen.
Dieser Grundsatz gilt auch für die in Rechnung gestellten Desinfektionskosten. Der Geschädigte hatte im konkreten Fall keine Möglichkeit Einfluss darauf zu nehmen, ob die Werkstatt sein Fahrzeug vor bzw. nach der Reparatur desinfiziert oder darauf, wie sie die Reinigung abrechnet. Dieser Umstand geht, wie oben dargestellt, zulasten des Schädigers, der die kompletten Desinfektionskosten erstatten muss.
Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die Desinfektion nicht bloß eine allgemeine Arbeitsschutzmaßnahme darstellt. Vielmehr wurde sie gerade durch den Unfall erforderlich. Sie ist Teil der in Folge des Unfalls in Auftrag gegebenen Reparatur und somit im Rahmen der Beseitigung des Schadens vereinbart worden.
AG Kempten, Urteil vom 14.10.2020, Az.: 6 C 844/20
Urteil des Amtsgerichts Aichach
Auch das AG Aichach urteilte zugunsten des Geschädigten. Nach Ansicht der Richter ist die Desinfektion des Unfallwagens zur Ansteckungsvermeidung notwendig und daher ist es nachvollziehbar, dass die Werkstatt zusätzlichen Aufwand betreiben und zusätzliche Kosten abrechnen muss. Aufgrund dessen werden diese Maßnahmen in der momentan bestehenden Lage erwartet und somit auch konkludent vertraglich vereinbart.
AG Aichach, Urteil vom 29.09.2020, Az.: 101 C 560/20