Ein Verkehrsunfall ist für alle Beteiligten belastend. Ist der erste Schock überstanden, bleiben Schäden am eigenen Fahrzeug und Reparaturkosten, vielleicht sogar eine Verletzung, die behandelt werden muss. Glück im Unglück hat man dabei, wenn man selbst am Unfall keine Schuld trägt und die Schäden somit vom Versicherer des Unfallgegners übernommen werden. Doch wie verhält man sich, wenn dessen Haftpflichtversicherung trotz mehrmaliger Kontaktaufnahme nicht reagiert und auch nach mehreren Anwaltsschreiben nicht antwortet? Oft bleibt in solchen Fällen nur die Klageerhebung – doch wer zahlt dann die daraus resultierenden Kosten? Mit dieser Frage hat sich nun das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe beschäftigt.
Der konkrete Sachverhalt
Zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger kam es nach einer Vorfahrtsverletzung zu einem Unfall. Dabei war eindeutig, dass der Schädiger den Unfall verursacht hat und dessen Haftpflichtversicherung somit für die Schäden aufkommen muss. Als sich der Geschädigte mit anwaltlicher Unterstützung an diese wandte, reagierte die Versicherung jedoch wochenlang nicht. Letztlich erhob der Geschädigte Klage. Nach der Entscheidung des OLG muss die Versicherung in diesem Fall die dabei anfallenden Kosten tragen. Daran ändert auch die Mail des Haftpflichtversicherers nichts, die den Geschädigten an dem Tag erreichte, an dem dieser die Klageschrift absendete. Denn in solchen Fällen ist zugunsten des Klägers anzunehmen, dass er die Mail im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht zur Kenntnis genommen hatte.
Bei fortgesetztem Schweigen kein Vertrauen in Schadensregulierung
Begründend führt das Gericht aus, dass der Geschädigte in einem Fall, in dem die Versicherung ihm nach einem Unfall auf mehrere Anwaltsschreiben nicht antwortet, zur Klagerhebung berechtigt ist. Reagiert die Versicherung nämlich wie hier nicht auf mehrere Schreiben des Geschädigten, muss bzw. kann dieser davon ausgehen, dass die Haftpflichtversicherung zu einer zügigen Regulierung des Schadens weder bereit noch in der Lage ist. Ob dem Versicherer hier eine (noch nicht verstrichene) Frist zur Prüfung des Sachverhalts zustand, ist in Anbetracht dessen nicht von Belang.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.9.19, Az.: 9 W 37/19